In einem aktuellen Urteil des OLG Brandenburgs wurde entschieden, dass eine Grundstücksübertragung unter bestimmten Umständen als Enterbung interpretiert werden kann, selbst wenn der Vertrag nicht ausdrücklich als Verfügung von Todes wegen bezeichnet wurde.
Sachverhalt
Eine verwitwete Frau übertrug mit einem notariellen Übergabevertrag ihr Grundstück unentgeltlich auf einen ihrer Söhne. Im Vertrag war festgehalten, dass die Übertragung „im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unter Anrechnung auf den Pflichtteil des Erwerbers am künftigen Nachlass des Veräußerers“ erfolgen sollte. Zusätzlich verzichteten die übrigen Kinder auf etwaige Pflichtteilsergänzungsansprüche bezüglich dieser Überlassung.
Nach dem Tod der Frau beantragte der beschenkte Sohn einen Erbschein, der alle vier Kinder als Erben zu gleichen Teilen ausweist. Dies stieß auf Widerspruch der anderen Kinder, die argumentierten, dass der Sohn durch den Vertrag enterbt wurde.
Gerichtliche Entscheidung
Das Gericht gab den übrigen Kindern Recht. Es entschied, dass auch ohne ausdrückliche Bezeichnung als „Verfügung von Todes wegen“ eine Enterbung vorliegen kann, wenn der Erblasser mit der Zuwendung den Willen hat, den Empfänger von der Erbfolge auszuschließen. Die Anrechnung der Zuwendung auf den Pflichtteil sei ein starkes Indiz dafür, dass der Sohn nach dem Willen der Erblasserin lediglich den Pflichtteil erhalten und nicht als gesetzlicher Erbe berücksichtigt werden sollte.
Kritische Bewertung
Diese Auslegung ist kritisch zu betrachten, da es sich bei dem Übergabevertrag um eine notarielle Urkunde gehandelt hat und daher zu erwarten gewesen wäre, dass ein Notar als ausgebildeter Jurist und als Fachmann in der Vertragsgestaltung eine Enterbung nicht nur stillschweigen, sondern ausdrücklich formuliert hätte. Das Urteil zeigt aber auch, wie wichtig es ist, dass auch Notare die tatsächlichen Absichten des Erblassers präzise und unmissverständlich formulieren und in ihren Urkunde niederlegen.
Fazit
Dieses Urteil verdeutlicht die Bedeutung einer sorgfältigen Auslegung von Erklärungen im Erbrecht. Es unterstreicht auch, dass Erblasser sich bewusst sein sollten, wie ihre Handlungen und Formulierungen interpretiert werden können, und dass es ratsam ist, eindeutige, Verfügungen zu hinterlassen, um Missverständnisse zu vermeiden.